Gibt es ein Leben nach der Burg?

Gibt es ein Leben nach der Burg? Ein Leben, das nicht durch eine straffe Dispo durchstrukturiert ist, wo ich nicht mit grimmiger Entschlossenheit frühmorgens in die Kälte starte, wo mir niemand Wärmepads für die Hände und Aktivkohlesohlen für die Schuhe in die Hand drückt? Ein Leben, ganz ohne Wärmepflaster im Rücken?

Kreuzenstein ist nicht heizbar. Aber ein geniales Filmmotiv. Die Burg wurde im 19. Jahrhundert von einem romantisch veranlagten und schwerreichen Sammler namens Graf Wilczek von einer Ruine in ein seltsames Sammelsurium der Stile, Kunstwerke und Gebäudeformen verwandelt, bis unter die Decke voll mit Waffen aus dem Dreißigjährigen Krieg, kostbaren gotischen Kruzifixen, venezianischen Drachen, Nürnberger Fachwerk, österreichischen Kirchentüren. Für die Burg wurden in ganz Europa Gebäude abgebaut und zu einer romantischen Melange neu zusammengesetzt. Genau das macht sie zu einem so dankbaren Filmmotiv. Feldlazarett, Bankierswohnung, Wirtshaus, Kloster… alles innerhalb weniger Schritte. Wenn man mit der Kälte leben kann.

Ich verstehe zum ersten Mal, warum es manchen Leuten so Spaß macht, historische Stoffe zu inszenieren. Man steckt den Schauspieler ins Kostüm, stellt ihn in einen historischen Raum, und schon hat man ein Bild. Wenn Ausstattung (Desiree Salvador) und Kostüm (Markus Kuscher) und Kamera (Thomas Beckmann) ihre Arbeit gut tun (und das haben sie), ist da schon ein Stück Welt entstanden, noch bevor dass irgendwas gespielt wird. Ob das dann „historisch echt“ ist, ist ein anderes Thema. Wirklich dazugelernt habe ich beim Thema Maske. Dass man Renaissance nicht ohne Bärte und Perücken erzählen kann, war mir klar. Wunden und Blut - waren bestellt. Aber Valerie Rossacher hat im Drehbuch zwischen den Zeilen gelesen und mich mit schmutzigen Fingernägeln überrscht, mit Schweißperlen, Schnapsnasen, Augenfalten... alles Dinge, die unsere Figuren verteufelt lebendig machen.

Wir haben straffe sieben Drehtage für dreißig Jahre Krieg. Weil unsere Hauptfiguren sich nie begegnen, hat jeder Tag seine eigene Atmosphäre – je nachdem wessen Geschichte wir gerade erzählen. Die oberösterreichische Bäuerin (Katharina Haudum), die ihren Mann im Bauernkrieg verliert. Die Nonne (Monika Bukinski), die ihr Kloster durch den Krieg bringt. Der Jesuitenprediger (Raphael von Bargen), der zuerst den religiösen Hass schürt und dann den Krieg hassen lernt. Der Bankier (Daniel Kamen), den der Krieg Reich macht und am Ende in den Selbstmord treibt. Der Söldner (Robert Zimmermann), der auf 22000 Marschkilometer Frauen, Kinder und Moral verliert. Ich verenge den Ausschnitt, setze auf die Gesichter der Protagonisten: Sie spielen in die Kamera, erzählen uns ihre Geschichten, im Dialog mit einer fiktiven Kriegsreporterin (Stimme: Adele Neuhauser). Viel Close Up, viel Emotion, wenig Schnitte. Und ich darf mit ein paar starken Schauspielen arbeiten, mit denen das auch funktioniert.

Und jetzt ist es vorbei. Ich stehe da, mit meinem Drehschlussbier in der Hand, und schaue dankbar hinunter auf unser Feldlager, aus dem gerade das Pappenheimische Heer abzieht. Alle sechs Mann.

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