In den Fängen der Wikinger (ORF/ZDF/Arte)

Dokudrama 52min (ORF/ZDF/Arte)

Die Wikinger: Sie gelten als die großen Helden des Mittelalters. Ebenso mutig wie skrupellos brechen sie mit ihren Schiffen von Skandinavien aus zu ihren europaweiten Raubzügen auf. Brandschatzend und plündernd machen sie fette Beute: Land, Kulturschätze und Menschen. Fast dreihundert Jahre lang. Ausgehend von der wahren Geschichte des Iren Findan und seiner Schwester Melkorka erzählt der Film die Geschichte ihrer Opfer – der Sklaven. Aufwändige historische Spielszenen, gedreht von einem internationalen Team an Originalschauplätzen in Irland, erlauben einen historisch fundierten Brückenschlag über mehr als ein Jahrtausend hinweg. Die moderne Bodenradar-Archäologie gewinnt zudem immer neue Erkenntnisse. Ein spektakulärer, neuer Blick auf die Wikinger-Kultur, ihre Sitten, Raubzüge und Sklaven.

Irland, zu Beginn des 9. Jahrhunderts. Der junge Adelige Findan und seine Schwester Melkorka werden Opfer eines Wikingerüberfalls. Die Angreifer wollen vor allem eines: Menschen rauben. Die skandinavischen Krieger haben früh erkannt, dass mit Lösegelderpressung und Sklavenhandel mehr Profit zu machen ist als mit dem Raub von Vieh und Kirchenschätzen.

In aufwändigen Spielszenen rekonstruieren Regisseur Stefan Ludwig und Drehbuchautor Gernot Lercher die abenteuerliche Lebensgeschichte der beiden Geschwister: Findan und Melkorka werden getrennt und quer durch Europa verschleppt. Sie erleben Sklavenarbeit, Misshandlung und sexuellen Missbrauch. Nach Jahren der Gefangenschaft gelingt Findan die Flucht. Er beschließt sein Leben als freiwillig eingeschlossener Mönch im schweizerischen Kloster Rheinau. Später wird er ein katholischer Heiliger. Deswegen wurde seine Lebensgeschichte kurz nach seinem Tod aufgezeichnet. Die „Vita Findani“ stellt das einzige Dokument eines Wikingersklaven dar, das auch von Historikern als authentisch bewertet wird.

Der Text erwähnt auch die Versklavung von Findans Schwester, liefert aber keine Details. Um ihr mögliches Leben zu rekonstruieren, orientiert sich der Film an der Sklavin Melkorka, die in der isländischen Laxdaela-Saga erwähnt wird. Melkorka wird auf einem Sklavenmarkt im Ostseeraum von einem isländischen Siedler gekauft, der sie zwingt, seine Konkubine zu werden und weiter nach Island verschleppt. Die Saga hat einen historischen Kern, der heute von der Wissenschaft bestätigt wird: Chemische und genetische Analysen von Skeletten haben ergeben, dass die heutige isländische Bevölkerung nordische und keltische Vorfahren hat. Ein Grund für diese Vermischung – wenn auch nicht der einzige – war die Verschleppung von Menschen von den Britischen Inseln durch Wikinger.

„Mich interessieren besonders die Underdogs und „Nebenfiguren“ der Geschichte – wie eben die Sklaven der Wikinger. Um so faszinierender war es für mich, auf die Spuren Findans zu gehen und in seiner Lebensgeschichte zu blättern, die man heute noch auf tausend Jahre altem Pergament nachlesen kann. Findan und Melkorka sind zwei starke Charaktere, die auch in einer ausweglosen Situation einen Rest an Widerstandsgeist behalten haben. Den Film in Irland mit seinem unglaublich weiten Himmel und seinen spektakulären Lichtstimmungen zu drehen, mit einem großen internationalen Team, war für mich eine prägende und spannende Erfahrung.“ (Stefan Ludwig)

Moderne Prospektion und virtuelle Archäologie bringen in den letzten Jahren neue, spektakuläre Erkenntnisse über dieses wenig bekannte Kapitel der nordischen Seefahrer. Der österreichisch-schweizerische Georadar-Spezialist Wolfgang Neubauer vom Ludwig Boltzmann Institut in Wien geht davon aus, dass die Wikingergesellschaft zu einem Viertel aus Sklaven bestanden haben muss. Nur so ist die Errichtung und Erhaltung gewaltiger Schiffsgräber und Kulthallen erklärbar, wie sie kürzlich am Oslofjord in Norwegen entdeckt wurden. Doch die Routen des Menschenhandels reichten noch weiter: Die Wikinger verkauften Sklaven bis nach Byzanz und weiter in die arabische Welt. Ein Hinweis darauf sind die arabischen Dirham-Silbermünzen, die überall in Europa gefunden wurden.

Führende europäische Expertinnen und Experten wie die Britin Judith Jesch, die Schwedin Torun Zachrisson, der Österreicher Rudolf Simek und der Ire Colmán Etchingham geben Auskunft über den Sklavenhandel als ein Phänomen, das ganz Europa umspannte und die Entwicklung des Kontinents prägte. Die Spielszenen wurden von einem internationalen Team in den spektakulären See- und Küstenlandschaften Irlands gedreht – nahe den historischen Originalschauplätzen der ersten Wikingerüberfälle.

Ko-Produktion von Interspot Film, Abu Media, ORF, ZDF, ARTE, CT, und TG4 – gefördert vom Fernsehfonds Austria und creative europe MEDIA, produziert mit Fördermaßnahmen der irischen Regierung für die irische Filmindustrie.

Regie Stefan Ludwig
Drehbuch Gernot Lercher und Stefan Ludwig

Mit
Melkorka Cat Williams
Findan Rickie O ‘Neill
Wikingeranführer Piotr Markiewicz
Vertrauter des Anführers Eric Nolan
Findans Vater Midie Corcoran
Findans Sklavenhalter Dmitry Vinokurov
Fremder Wikinger Kamil Krawczak
Jórunn Neasy Ni Chuanaigh
Höskuldr Michael J. Cloke
Alter Findan Brian Comerford
Sklavenhändler John Heathwood
Iren William Howard, Martin Gilligan

Kamera Cathal Watters, Philipp Kaiser, Klaus Achter, Dietrich Heller, Bjarni Svanur Friðsteinsson, Greg Manahan
Ton Trevor McKenna
Licht Garret Baldwin, Khalid Dami
Ausstattung und Bauten Mags Linnane, Tracey O’Reilly
Kostüm Georgina Diaz, Theresa Czerniak
Maske & Perücken Val Sherlock, Roisin Derrane, Clíona Campbell
SFX Mike Regan
Stuntkoordinatoren Joe Condren, Marta Jadach
Casting Mairead Campbell
Schnitt Anton Fielhauer, Alexander Strauß, Daniel Schimani
Musik Ulrich Dallinger
Sprecherin Eszter Hollósi
Sounddesign & Tonmischung Jakob Studnicka, Martin Sachsenhofer
Grafik Stefan Horninger, Michael Klein – 7 Reasons, Julia Nebauer
Farbkorrektur David Hughes
Beratung Szenenbild und Waffen Dave Swift
Produktionsleitung Clemens Wollein
Producer Stephan Hoenigmann, Pierce Boyce
Produzenten Nikolaus Klingohr, Ingrid Klingohr
Redaktion Caroline Haidacher (ORF), Peter Allenbacher (ZDF/Arte), Winfried Laasch (ZDF)